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Ramadan | Ein Selbst-Experiment
oder auch: "Das Indonesische Weihnachten"
Hallo Du,
und schön, dass du wieder dabei bist.
Danke für’s Warten (falls du gewartet hast).
Das mit den gesunden Routinen lerne ich gerade noch,
weshalb der Newsletter bisher etwas “random” kommt.
Mein Ziel ist 1x die Woche.
Warum nicht Samstagvormittag?
Jemand, der freiwillig mein Accountable-Buddy wird?
(» für die Nicht-Englisch-Affinen Subscriber:
Jemand, der dich accountable/verantwortlich hält/macht)
Ok, genug gequatscht.
Heute gibt’s ein paar Inights zu
trommelwirbel
Ramadan.
Ja. Du hast es bereits in der Headline gelesen.
Doch warum?
Letzte Woche war Idulfitri (auch Lebaran genannt).
Im Deutschen: Zuckerfest.
Quasi das “indonesische Weihnachten”.
Aber von Anfang an…
Wenn die meisten Menschen an Indonesien denken, haben sie eines im Kopf:
Bali. Tempel. Sonne. Strand. Hinduismus.
Was wenige Menschen wissen:
Fast 90% der Bevölkerung in Indonesien besteht aus Muslimen.
Ganz ehrlich?
Ich wusste das nicht, also ich vor 1 Jahr nach Indonesien kam.
Und war mehr als überrascht, als ich tagsüber das erste Mal
die Gesänge gehört habe.
5x am Tag wird gebetet.
Die Gesänge hallen dabei durch die ganze Stadt.
Mal kurz,
mal lang,
mal schön,
und manchmal auch etwas furchteinflößend,
wenn Kinderstimme ertönen.
Ramadan = Fastenzeit
Wie im Christentum, wird auch im Islam gefastet.
1x im Jahr
30 Tage lang.
Zwischen Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird dabei auf…
… Essen
… Musik
… Trinken
… Böse Gedanken
… Alkohol/Zigaretten
… Sexuelle Aktivitäten
verzichtet.
Wer jetzt denkt “Alkohol & Zigaretten” sind im Islam doch eh verboten.
Der war noch nicht in Indonesien…
Sagen wir mal so - ich spreche aus meiner Erfahrung &
den Freundeskreisen, in denen ich war:
“Smoking is part of the culture.”
(zumindest bei den männlichen Genossen)
Die folgende Grafik veranschaulicht da ziemlich deutlich.

Quelle: visualcapitalist
Zigaretten gibt es hier wie Sand am Meer.
Geraucht wird überall.
Im Restaurant. Auf dem Roller.
In der Pause beim Muay Thai.
(yes, das habe ich erlebt)
Aber ich schweife wieder ab.
Zurück zu Ramadan
Letztes Jahr hatte ich das große Glück,
zur Fastenzeit vor Ort zu sein.
Die sonst so lebendige & volle Stadt,
wird zu dieser Zeit ruhiger.
Tagsüber ist wenig los.
Viele Warungs (= kleine Essensstände),
Restaurants oder Geschäfte haben geschlossen
In der ersten Nacht zu Ramadan konnte ich nicht schlafen,
und saß Nachts auf dem Dach mit Blick über die Stadt.
Und plötzlich fing es durch die ganze Stadt an zu trommeln.
Nachts um 3 Uhr. Laute Musik. Fast wie eine Party.
“Saaahuuuuuuuuuuur” wurde geschrien.
Sahur = Frühstück vor Sonnenaufgang.
Meist zwischen 03.00 - 04.30 Uhr.
Das Frühstück wird im Kreise der Familie gehalten.
Meist Reis mit Huhn, etwas Nahrhaftes.
Anschließend findet das morgendliche Gebet statt.
Und das Fasten beginnt.
Nach Sonnenuntergang und dem Magribgebet
wird das Fasten gebrochen.
Traditionell mit einer Dattel.
Danach wird ausgiebig im Kreise der Familie gegessen.
Meine Erfahrung: 12 Tage Fasten
Auch ich habe mich an das Experiment des Fastens gewagt.
Ursprünglich wollte ich “nur” 2-3 Tage versuchen.
Daraus wurden dann 12.
Wer sich jetzt denkt:
“Das ist kulturelle Aneignung.
Du bist keine Muslima.”
Ja. Ich bin mir dessen bewusst.
Auch ich habe darüber im letzten Jahr viel nachgedacht.
Ich bin mehrmals in den Austausch mit meinen indonesischen Freunden
(Kommilitonen als auch private Freundeskreise) gegangen:
Alle haben gesagt: Mach. Probier es aus.
Es wurde als positiv aufgenommen,
da ich ernsthaftes Interesse an der Religion und der Kultur habe.
Hinzukommt, dass ich jedes Jahr zur christlichen Fastenzeit auch faste:
Fleisch, Alkohol, Zucker oder wie dieses Jahr Instagram.
Hilft, sich zu besinnen. Den Fokus zu schärfen.
Ok, ich schweife wieder ab.
Worauf habe ich also während Ramadan verzichtet?
Zum damaligen Zeitpunkt auf:
Essen
Alkohol
Zigaretten (gar nicht erst anfangen!)
Trinken habe ich mir erlaubt.
Denn ich war zum damaligen Zeitpunkt etwas angeschlagen.
Und was soll ich sagen?
Es fiel mir leichter als gedacht.
Ich bin sonst jemand, der gerne hangry wird,
wenn ich nichts gegessen habe.
(hungry = hungrig, angry = wütend).
Tatsächlich habe ich die Zeit des Nichts-Essens gut überbrücken können.
Ich konnte ja zumindest auch trinken.
(& ich habe mir auch Süßgetränke erlaubt #cheating)
Zudem hatte ich mich voll und ganz dem indonesischen Life-Style angepasst:
Ich saß gerne bis nachts um 3.00-04.00 Uhr
mit meinen indonesischen Freunden zusammen.
Nicht untypisch hier & vom kollektivistischen Denken geprägt:
Zusammen sein statt allein.
(auch wenn oft nur am Handy gehangen wird)
Nachts haben wir gemeinsam gefrühstückt.
Danach ging es ins Bett.
Entgegen meiner Indo-Freunde, die ausschlafen konnten,
und tagsüber den “Chill-Lifestyle” verfolgt haben,
begann bei mir die Uni manchmal um 07.00 Uhr.
Antritt mit 2 Stunden Schlaf.
(siehe Selfie-Bild)
Ein gesunder Lebensstil sieht definitiv anders aus,
wie ich im Nachhinein sagen kann.
Ich habe mein Experiment nach 12 Tagen abbrechen müssen:
Mein Körper (bereits angeschlagen), hatte den Stecker gezogen:
Zu wenig Schlaf. Zu unregelmäßiges Essen.
Und Klausurenphase.
Meine Konzentration ohne Essen = unmöglich.
Ich bewundere meine Kommilitonen bis heute für ihre (Glaubens)Stärke:
Ihr Tag begann während dieser Zeit zwischen 2.30 und 03.00 Uhr.
Uni ging an manchen Tagen von 07.00-16.00 Uhr.
Vor- und Nachbereitung gerne mal bis 21.00 - 22.00 Uhr
Dann ins Bett.
Und nach 4-5h Schlaf ging es wieder los.
Das ist Willensstärke.
Für euch vielleicht interessant:
Man soll und darf nicht fasten, wenn man nicht gesund ist!
Es ist also durchaus legitim,
wenn man das Fasten aufgrund der Gesundheit
(oder z.B. Schwanger sein) abbricht.
Diese Tage müssen jedoch nachgeholt werden.
Respect the culture
Falls ihr während Ramadan mal in muslimisch geprägten Regionen in Indonesien sein solltet:
Of course: Respect the culture!
Wie?
Zum Beispiel indem man in der Öffentlichkeit
auf Essen & Trinken tagsüber verzichtet.
Natürlich klappt das nicht immer.
Und es würde - so wie ich Indonesier bisher
kennengelernt habe - auch niemanden ernsthaft stören.
Meine christlichen-indonesischen Kommilitonen als auch die internationalen Studenten wie ich, hatten unsere Getränke beispielsweise auf den Plätzen stehen.
Und wie Indonesier bzw. besser gesagt Indonesier aus Jogjakarta,
die die javanesische Kultur inne haben, kommt dann ein:
“Not a problem. Do your thing. It doesn’t bother me.”
mit einem Strahlen über das ganze Gesicht.
Und das, obwohl sie körperlich durch das Fasten gerade am Ende sind.
Diese Freundlichkeit. Und Selbstlosigkeit.
Fasziniert mich immer wieder.
Ach Indo. ❤️ Mein Herz schlägt für dich.
So. Das waren erste Einblicke.
Letztes Jahr konnte ich Idul-Fitri nicht miterleben,
dafür kam ich dieses Jahr genau zu diesem Zeitpunkt an.
Wie ich gefeiert habe?
Das gibt’s beim nächsten Mal.
Ich wünsche euch einen erholsamen & wunderbaren Samstag. ☀️
Und wie immer gilt: Fragen, Wünsche, Feedback oder Anregungen?
Einfach auf die Mail antworten.
Eine Zusatzinfo, die superwichtig ist:
Wenn ich vom Islam/Muslimen rede,
spreche ich dabei immer davon,
wie es in Jogjakarta, Indonesien gelebt wird
& wie ich es hier persönlich erlebt habe.
Jogjakarta ≠ Indonesien
Jogjakarta = Teil von Indonesien,
so wie Berlin auch nicht für Deutschland steht.
Es gibt durchaus andere Teile in Indonesien,
wo alles SEHR viel strenger gelebt wird.
Doch das würde den Blog hier sprengen.
Woher ich sonst meine Infos habe?
→ persönliche Erfahrung
→ IndoJunkie
→ “Indonesien - Ein Länderportrait” von Christine Schroff